Moderne Denkwerke 4
Bekanntlich ist die buddhistische Philosophie als erste Weltreligion eine Erkenntnislehre, welche die Vorstellung von einem ewigen Gott (Deva) und einer ewigen Seele (Ata, Atma) seit 600 Jahren vor Christus kategorisch ablehnt. Das verbindet den Buddhismus mit dem deutschen Philosophen Ludwig Feuerbach (1804–1872), dem Vater des modernen Atheismus, der in seinem Hauptwerk Das Wesen des Christentums (1841) behauptet, dass Religion nichts anderes sei als die Projektion des eigenen, menschlichen Wesens in den Himmel.
In seiner Religionskritik stellt er nüchtern fest, dass der Mensch schuldlos Krankheit, Alter und Tod ausgesetzt ist. Dadurch sieht sich der tieferschauende Mensch als unfrei, leidend und fehlerhaft. Diese unerträgliche Tatsache treibt den oberflächlich Schauenden in die tröstliche Hoffnung eines endgültigen, ewig glücklichen Lebens im Jenseits. In diesem Jenseits (Himmel) nimmt das ungewisse, gestaltlose, bedrohliche Schicksal die Gestalt eines wohltätigen, allmächtigen Vatergottes an, in dem sich alle quälenden Fragen auflösen.
Laut Feuerbach schuf der Mensch sich somit Gott nach seinem Ebenbilde. Die biblische Umkehrung jedoch führte zur Entzweiung des Menschen mit sich selbst und macht ihn krank durch sein selbstbelogenes Unterbewusstsein. Feuerbach versucht durch seine neue Sichtweise, den Vorgang der Gottesprojektion zu durchleuchten und den Durchblickenden fügsam zu machen für eine anderweitige, bessere Problemlösung. Wenn dieser Mensch sich von der ihm im Kindesgehirn gepflanzten Theologie nunmehr zur Anthropologie (Lehre von Entwicklung und Verhalten des Menschen zu sich und seiner Umwelt) wendet, wird er genesen. Ludwig Feuerbach setzte anstelle der Gottesliebe die Menschenliebe (Meta-Meditation).
So kann der Mensch sein eigenes Wesen und die in ihm schlummernde Selbsterlösungskraft entdecken. Feuerbach wählte dazu die Formel: homo homini deus est! („Der Mensch ist des Menschen Gott!“).
Als Buddhisten können wir Feuerbachs Erkenntnisse gut verstehen, denn damit erkannte er des Erhabenen vier edle Wahrheiten über den Zustand der Dinge. Die Erkenntnisse der Anthropologie werden den fleißigen, suchenden Geist unweigerlich über die Philosophie zur buddhistischen Erleuchtung führen, auf den muschelblanken Pfad der Selbsterlösung!
Vergleich der Buddhistischen Sichtweise
Im Buddhismus wird die Vorstellung eines ewigen Gottes oder einer ewigen Seele konsequent abgelehnt. Diese Philosophie basiert auf der Lehre des Anatta, des „Nicht-Selbst“, was bedeutet, dass es kein permanentes, unveränderliches Selbst oder eine Seele gibt. Im Gegensatz dazu sah Feuerbach Gott als Projektion menschlicher Wünsche und Bedürfnisse, was die Idee der göttlichen Schöpfung infrage stellte. Beide Sichtweisen stellen die Vorstellung eines persönlichen Gottes infrage, jedoch mit unterschiedlichen Ansätzen: Während der Buddhismus die Existenz eines Selbsts und somit die Grundlage für die Vorstellung eines Gottes verneint, betrachtet Feuerbach Gott als Produkt menschlicher Psyche und Kultur.
Quellen und weiterführende Literatur
- Feuerbach, Ludwig: Das Wesen des Christentums. Berlin: Akademie Verlag, 1841.
- Harvey, Peter: An Introduction to Buddhism: Teachings, History, and Practices. Cambridge: Cambridge University Press, 1990.
- Batchelor, Stephen: Buddhismus für Ungläubige: Eine Anleitung für Skeptiker und Zweifler. Berlin: Arbor Verlag, 2016.
- Hanh, Thich Nhat: The Heart of the Buddha’s Teaching: Transforming Suffering into Peace, Joy, and Liberation. New York: Broadway Books, 1998.
Diese Quellen bieten eine umfassende Einführung sowohl in die Philosophie Feuerbachs als auch in die Grundprinzipien des Buddhismus und können helfen, die Verbindung zwischen diesen beiden Denkrichtungen weiter zu erforschen.