aus dem Majjhima- Nikaya 26
Im Zentrum dieses eindrücklichen Textes steht der Moment, in dem der Erwachte, Siddhartha Gautama, seine Lehre erstmals verkündet – nicht einem König, nicht einem Gott, sondern fünf asketischen Weggefährten. In bewegenden Worten schildert der Text, wie aus anfänglichem Zweifel die Einsicht erwächst, wie die Lehre – das Dhamma – erstmals auf fruchtbaren Boden fällt. Dieser historische Augenblick, überliefert im Majjhima-Nikaya, bleibt ein Höhepunkt buddhistischer Überlieferung: Die Geburt der Sangha.
so habe ich es gehört:
Nachdem der Erhabene dem Gott Brahma die Gewährung versprach, den in Finsternis wandelnden, leidenden Völkern die edle Lehre zu zeigen, grüßte dieser ehrfurchtvoll den Erhabenen, machte die Rechtsumwandlung und entschwand augenblicklich wieder in seine Brahmawelt.
So kam mir der Gedanke:
„Wem könnte ich als erstes, die noch nie zuvor verkündete edle Lehre zeigen? Wer wird diese Lehre in ihrer Kontinuität schnell verstehen?“
Und ich richtete meine Gedanken freudig auf Alama Kalama mit seiner Raum-Undendlichkeits-Lehre. Doch da sprachen genahten Gottheiten zu mir so:
„Vor sieben Tagen gestorben, o Herr, ist Alama Kalama!“
Ich bedauerte, dass ihm meine Lehre nicht mehr nutzen konnte und sprach in Gedanken:
„Von hochedler Art ist auch dieser Uddaka Ramas Sohn, auch ihm würde meine Lehre wohlgefallen und von Nutzen sein!“
Abermals sprachen die genahten Gottheiten, die meine Gedanken lesen konnten, zu mir:
„Am Abend zuvor, o Herr, gestorben ist Uddaka Ramas Sohn!“
Enttäuscht richtete ich meine Gedanken auf die fünf jungen Begleiter während meiner Askesezeit. Viel gemüht um mich hat sich die Gesellschaft der fünf Samanas (Asketen), die mich, als mein Sinn auf inneren Fortschritt gerichtet war, bedienten. Wohl Versteher meiner Lehre könnten sie sein. Und ich sah mit dem himmlischen Auge, dem geklärten, dem übermenschliches hinausgehenden, die fünf Samanas in Benares weilen, im Tierpark Isipatana.
So begab ich mich auf den Weg nach Benares, wo ich zwischen Gaya und dem Bo-Baum einen Ajivaka nackt wandeln sah. Ich hingegen schützte meine Haut mit Leinentüchern in der billigsten Farbe (dunkelgelb).
Als er mich sah, sprach er so:
„Ruhig, Freund, sind deine Züge, rein ist deine Hautfarbe und klar. Um wessen Willen bist du hinausgegangen?“
Auf diese Worte antwortete ich mit diesem feierlichen Vers:
Allbewältiger, Allversteher bin ich!
Von allen Dingen unbefleckt,
Alleslasser, in Entdürstung befreit!
Aus mir selber habe ich begriffen – wem sollte ich folgen?
Nicht gibt es für mich einen Ajahn (Lehrer).
Ein mir Gleicher gibt es nicht!
In Himmel und auf Erden gibt es keinen Ebenbürtigeren.
Ich bin der Verehrungswürdige in der Welt,
ich, der unvergleichliche Lehrer,
als einziger bin ich Voll-Erwachter,
kühl geworden bin ich, verloschen.
Das Gesetzesrad zu drehen, gehe ich nach Kasi, der Stadt,
in geblendeter Welt rührend des Todlosen Trommel!
(Anm.: Diese Verse können als Lobhymne auf Buddha umgewandelt werden.)
Der Luftbekleidete Upaka meinte unberührt:
„So bekennst du wirklich, Freund, der unbegrenzte Jina (Sieger über sich selbst) zu sein?“
Der Erhabene bestätigte das mit folgenden Worten:
„Mir gleich, wahrlich, sind Sieger, die erreicht haben die Triebvernichtung. Besiegt sind von mir die üblen Dinge, also bin ich deren Besieger!“
Daraufhin sprach Upaka, der Nacktler:
„Möchte das doch so sein, Freund!“ – sprach es aus, nickte mit dem Kopf und nahm die Schmalseite der weiten Straße.
So wanderte ich, Einsamkeit beglückt, des Weges bis zum Tierpark Isipatana. Und es sahen mich die fünf Samanas von weitem herankommen und sprachen zueinander:
„Da kommt dieser Büßer Sithatta Gotama, üppig geworden, ungesammelten Strebens, dem Wohlgefühl zugewandt. Der soll nicht begrüßt werden, nicht durch Erhebung bewillkommt werden, nicht soll ihm Schale und Gewand abgenommen werden, einzig der Sitz abgezeigt werden; falls er Lust hat, wird er sich schon setzen!“
Wie ich aber näher kam, blieben die fünf Samanas weniger und weniger imstande, an ihrer Beredung festzuhalten. Schließlich rannten sie mir entgegen, grüßten mich mit Freund, nahmen mir meine Traglast ab, richteten mir einen Sitz zurecht und stellten Fußwasser bereit.
Daraufhin sprach ich zu den fünf Samanas so:
„Nicht doch, Verehrte, redet den Tathagata (Vollendeten) mit dem Titel Freund an. Arahat ist der Vollendete, weil samma-sambuddha – völlig erwacht! Leiht, Samanas, mir das Ohr! Das Todlose ist gefunden. Ich zeige euch das Dhamma!“
Schon baldigst werdet ihr, so ihr es wünscht, das, um dessenwillen Edelgeborene weislich aus dem Hause in die Pilgerschaft hinausgehen – dieses unvergleichliche Ziel des Brahmacarinas (Reinheitsleben) – schon in diesem Dasein aus sich selber begreifen, verwirklichen und in seinem Besitz verweilen!“
Voller Zweifel antworteten die fünf Samanas so:
„Selbst durch deine Anstrengungen, Freund Gotama, durch deine Übung, durch deine Geißelung hast du nicht erreicht, was übermenschlich hinaus ist: die Art der Einsicht, die da genügt zum edlen Wissen. Was wirst du denn jetzt, üppig geworden, ungesammelten Strebens, der Üppigkeit zugewandt, das erreichen, was übermenschliches hinaus ist: die Art der Einsicht, die da genügt zum edlen Wissen?!“
Dieser Ansicht musste ich mit folgenden Worten widersprechen:
„Nicht, ihr Samanas, ist der Vollendete üppig geworden, nicht ungesammelten Strebens, nicht der Üppigkeit zugewandt! Das Todlose ist in der Tat gefunden! Leiht mir das Ohr, ich unterweise euch!“
Dreimal trug ich meine Bitte vor – und dreimal wurde mir kein Gehör erwiesen.
Daraufhin sprach ich zu den fünf Ungläubigen diese Worte:
„Gesteht ihr zu, ihr Samanas, dass ich nie zuvor an euch derart appelliert habe?“
Und die fünf Samanas bestätigten es mir wahrheitsgemäß.
So gelang es mir, die fünf Samanas zur Einsicht zu bringen. Zwei Jünger unterrichtete ich damals, während drei Jünger sich auf den Almosengang begaben. Was die drei Jünger vom Almosengang heranbrachten, davon erhielten wir uns zu sechst. Danach unterrichtete ich die drei, während zwei andere Almosen heimtrugen. Und das Wissen, die Einsicht ging ihnen auf:
Unerschütterlich ist unsere Befreiung;
dieses ist die letzte Geburt;
nicht gibt es mehr ein Wiederdasein.
Diese fünf Lustarten, Ehrwürdige, gibt es:
Die mit dem AUGE erkennbaren Formen – die entzückenden, angenehmen, reizvollen, lieblichen, lustvollen, leidenschaftigen;
die mit dem OHR erkennbaren Töne – die entzückenden, angenehmen, reizvollen, lieblichen, lustvollen, leidenschaftlichen;
die mit dem GERUCH erkennbaren – die entzückenden …;
die mit der Zunge erkennbaren GESCHMÄCKE – die entzückenden …;
die mit dem Körper erkennbaren BERÜHRUNGEN – die entzückenden …
Und diejenigen Priester und Pilger, welche diese fünf Lustarten
verstrickt, verblendet, überwältigt,
ohne Einsicht in das Elend,
ohne Wissen vom Entrinnen
genießen –
die wären so zu verstehen:
dem Unglück verfallen, dem Niedergang verfallen, ein Gegenstand des Beliebens für das Böse!
Gleichwie ein Tier des Waldes, das gebunden auf einem Haufen Schlingen läge,
so zu verstehen wäre:
dem Unglück verfallen, ein Gegenstand des Beliebens für den Jäger!
Wenn der Jäger näher kommt, wird es nicht nach Belieben fortgehen können –
ebenso auf Euch, Ihr Ehrwürdigen, träfe dieses Unheil,
wenn Ihr nicht diese fünf Lustarten
unverstrickt, unverblendet, unüberwältigt,
voll Einsicht in das Elend, im Wissen vom Entrinnen
genießen würdet.
Ihr wäret nicht dem Unglück verfallen, nicht dem Niedergang verfallen,
nicht ein Gegenstand des Beliebens für das Böse!
Gleich wie da ein Tier des Waldes
im Walde am Berghang streifend
sicher geht, sicher steht, sicher sich niedersetzt,
sicher sich sein Nachtlager wählt –
ebenso auch weilt da ein Bhikkhu (Mönch),
freigeworden von Lüsten,
freigeworden von unguten Dingen,
im Besitz der ersten Gedankenstufe,
der mit Eindrücken und mit Erwägungen verbundenen,
der einsamkeits-entstandenen,
der freudvoll-beglückenden.
Dieser wird ein Bhikkhu genannt:
blind gemacht hat der den Tod,
spurlos abgetötet des Todes Auge,
außer Sicht gekommen ist er Mara (Tod, Teufel), dem Bösen.
Durch Zuruhekommen der Eindrücke und Erwägungen
erlangt er die innere Beruhigung,
die geistige Einheitlichung
und weilt im Besitz der zweiten Gedankenstufe,
der eindrucksfreien, der erwägungsfreien,
der selbstvertiefungs-entstandenen,
der freudvoll-beglückenden.
Weiter noch:
Durch das Freiwerden von Sucht nach Freude
weilt er gleichmütig, nachdenklich und besonnen
und empfindet körperlich das Glück,
welches die Edlen nennen:
„Gleichmütig, einsichtig, glücklich weilend.“
So weilt er im Besitz der dritten Gedankenstufe.
Und weiter noch:
Durch das Fahrenlassen von Leid,
durch Hinschwinden der früheren Befriedigungen und Bekümmernisse
weilt er im Besitz der vierten Gedankenstufe,
der leidfreien, der glückfreien,
der in Gleichmut und Verinnerlichung geklärten.
Aldann, durch vollständige Überwindung der Formwahrnehmungen,
durch Vernichtung der Widerstandswahrnehmungen (Gegenständlichkeit, Patigha-saññā),
durch Nichteingehen auf die Vielheitswahrnehmungen,
hat ein Bhikkhu das Gebiet der Raum-Unendlichkeit erreicht.
Hat er dieses Gebiet überwunden,
erreicht er das Gebiet der Bewusstseins-Unendlichkeit.
Nach Überwindung dieses Gebietes
betritt er das Gebiet der Nichtetwasheit.
Überwindet er dieses Gebiet,
so gelangt er in die Dimension der Weder-Wahrnehmung-noch-Nicht-Wahrnehmung.
Sobald er diese Dimension überwunden hat,
gelangt er ins Gebiet der Vernichtung von Wahrnehmung und Empfindung (saññā-vedayita-nirodha).
Mit der Vernichtung von Wahrnehmung und Empfindung
sind ihm, weise durchschauend,
die Triebe (āsava) entschwunden.
Entronnen ist er dem Haften an die Welt.
Er geht sicher, sitzt sicher,
wählt sicher sein Nachtlager –
denn nicht ins Bereich geraten ist er Mara, dem Bösen.
Lobhymne auf den Erwachten
Allbewältiger, Allversteher bist Du,
Du, der aus sich selbst erwacht – rein, klar, wahr!
Von aller Welt bist Du unbefleckt,
frei von Gier, Hass und Wahn.
Kein Lehrer weist Dir mehr den Pfad,
kein Wesen gleicht Dir in Himmel und auf Erden.
Vollständig erloschen, bist Du der Kühlgewordene,
der das Todlose fand und es lehrte.
Du drehst das Rad der Wahrheit,
bewegst die Trommel des Unvergänglichen,
durchschneidest die Schleier der Welt,
führst aus Dunkelheit in Licht.
Du bist der Siegreiche – Jina –,
nicht über andere, sondern über Dich selbst.
Du hast die Triebe besiegt,
die Fesseln zerschnitten, die Wiedergeburt durchbrochen.
Einsichtsreich, weise, von innerer Sammlung durchdrungen,
wohnst Du in Gleichmut und Mitgefühl.
In Dir lebt das Dhamma – unvergänglich, edel, tief.
Heil Dir, Tathagata – der Vollendete!
An Dich wenden wir uns,
in Dankbarkeit, in Ehrfurcht, in Vertrauen.
Du bist das Licht der Welt,
der Lehrer der Götter und Menschen.
🧘♂️ Achtsamkeitsübung: Die Freiheit von den Fünf Sinneslüsten
Inspiriert durch Buddhas erste Lehrrede und seine ersten fünf Jünger
Dauer: 15–30 Minuten
Ort: Ruhiger, aufrechter Sitzplatz
Haltung: Aufrecht sitzend, Hände im Schoß oder auf den Knien, Augen sanft geschlossen
🕯️ 1. Ankommen im gegenwärtigen Moment (2–3 Minuten)
„Wie ein Tier im freien Wald, das sicher steht, sicher geht, sicher ruht.“
Richte deine Aufmerksamkeit sanft auf den Atem.
Spüre das Einströmen … und Ausströmen … der Luft.
Lass alles, was war, und alles, was noch kommen mag, hinter dir.
Du bist jetzt einfach da. Nur dieser Moment. Nur dieser Atem.
👁️👂👃👅🤲 2. Bewusstwerden der Sinneseindrücke (ca. 5 Minuten)
„Diese fünf Lustarten gibt es …“
Lenke nun achtsam deine Aufmerksamkeit auf deine Sinne, einen nach dem anderen.
Du bist nur Beobachter. Kein Urteil. Nur Gewahrsein.
Sehen: Auch bei geschlossenen Augen – was „siehst“ du? Helligkeit? Dunkelheit? Farben? Bilder?
Hören: Welche Geräusche sind da – draußen, drinnen, in dir selbst?
Riechen: Gibt es einen Duft, einen Geruch? Oder ist da einfach Neutralität?
Schmecken: Wie fühlt sich dein Mund an? Ist ein Geschmack spürbar?
Tasten: Spüre den Körper – Kleidung, Luft, Hautkontakt mit dem Sitz.
Frage dich bei jedem Sinn:
„Ist das angenehm? Unangenehm? Oder neutral?“
Und dann: „Kann ich es einfach nur wahrnehmen, ohne zu greifen oder zu fliehen?“
🔥 3. Durchschauen der Verstrickung (ca. 5 Minuten)
„Verstrickt, verblendet, überwältigt – ein Gegenstand des Beliebens für das Böse …“
Erinnere dich still an einen Moment, in dem du von einem Sinnesreiz verstrickt wurdest –
z. B. durch ein Bild, einen Klang, ein Verlangen.
Beobachte, wie der Geist darauf reagiert hat.
Nicht verurteilen – nur verstehen.
Wie fühlt es sich an, gebunden zu sein?
Und nun: Stell dir vor, du lässt diesen Reiz los.
Wie fühlt sich Loslassen an?
🌿 4. Entfaltung innerer Freiheit (ca. 10–15 Minuten)
„Gleichmütig, einsichtig, glücklich weilend …“
Wende dich nun nach innen.
Lenke den Atem sanft in den Körper.
Stell dir vor, mit jedem Einatmen kommt Freiheit, mit jedem Ausatmen Lösen.
Werde still.
Verweile in einem Gefühl von Klarheit, Gleichmut und stiller Freude.
Wenn Gedanken kommen – bemerke sie. Kehre liebevoll zum Atem zurück.
Vielleicht spürst du schon eine Ahnung der ersten oder zweiten Jhana:
Sammlung, Freude, Stille, Losgelöstheit.
🕊️ 5. Abschluss: Rückkehr mit Weisheit
„Nicht mehr ins Bereich geraten ist er Mara, dem Bösen.“
Bewege langsam die Finger, die Zehen.
Spüre den Raum um dich.
Öffne die Augen mit einem Lächeln.
Verweile noch einen Moment still.
Dann frage dich:
Was kann ich loslassen?
Wo bin ich noch verstrickt?
Wie kann ich freier leben – heute, in kleinen Schritten?