Die Vollendung des Einsiedlertums
So habe ich gehört: Einst weilte der Erhabene, Buddha, in Rajagaha, im Bambushain, am Futterplatz der Eichhörnchen. Zu dieser Zeit lebte dort ein Bhikkhu, ein Mönch namens Thera, der in einer Einsiedelei wohnte. Jeden Tag pilgerte Thera alleine in ein weit entferntes Dorf, um rechtzeitig vor Tagesmittag seine einzige Fastenmahlzeit durch Almosengang zu sich zu nehmen.
Die Hingabe und das strenge Leben des Mönchs Thera hatten sich in der Umgebung herumgesprochen, und er wurde für sein Einsiedlertum gelobt. Eines Tages hörte auch der Erhabene, Buddha, von diesem Lobpreis. Er beschloss, den Bhikkhu Thera zu sich zu rufen, um ihn persönlich kennenzulernen.
Ein Bote wurde zu Thera geschickt und sprach: „Der Bhagavan ruft dich, Bruder!“ Ohne zu zögern begab sich der Mönch Thera zum Erhabenen, begrüßte ihn ehrerbietig mit zusammengelegten Handflächen und setzte sich zu dessen Seite.
Buddha fragte ihn: „Ist es wahr, o Thera, dass du ein Lobpreiser des Einsiedeltums bist?“
Der ehrwürdige Thera antwortete: „Ja, o Bhagvan. Alleine pilgere ich in Tagesfrühe ins Dorf zu Almosengang, allein kehre ich zurück und speise mein einziges Fastenmahl, bevor die Sonne die Tagesmitte erreicht. Allein meditiere ich in meiner Verborgenheit, schlafe dort und gehe dort auf und ab. So führe ich mein Leben in Verborgenheit!“
Der Erhabene, Buddha, antwortete daraufhin ohne irgendeinen Tadel: „Dies ist, o Thera, Einsiedlertum; nicht sage ich, dass dem nicht so wäre. Doch möchte ich mein Verständnis darüber ausführlicher erklären: So ist Einsiedlertum vollendet: Was da Vergangenes ist, das ist aufgegeben; was da Zukünftiges ist, das ist abgetan; was hinsichtlich der gegenwärtigen Persönlichkeitsformen Wille und Begehren ist, das ist völlig bezwungen.“
Nachdem der Gesegnete so geredet hatte, sprach der Bhagvan diesen feierlichen Vers:
„Wer alles Schädliche hat bezwungen, alles hat erkannt als Weiser,
von allen schlechten Dingen, wer da ist unbefleckt,
wer alles Anhaftende hat gelassen, frei durch Triebversiegung,
einsam gesiedelt, nenne ich einen lobeswürdigen Einsiedler!“
( aus der Thera-Sutta 10, Bhikhu-Samyutta )
Interpretation und Bedeutung
Diese Passage aus dem Thera-Sutta zeigt die tiefe Weisheit des Buddha im Hinblick auf das Einsiedlertum und die innere Befreiung. Buddha erkennt die äußerliche Praxis des Einsiedlertums von Thera an, aber er betont, dass wahre Einsamkeit und Abgeschiedenheit nicht nur durch das körperliche Alleinsein definiert werden, sondern durch das innere Loslassen von Vergangenheit und Zukunft sowie durch die Überwindung von Begierden und Anhaftungen in der Gegenwart.
Thera wird hier als Beispiel für einen Mönch dargestellt, der sich äußerlich an das Leben eines Einsiedlers hält. Buddha nutzt dies, um die tiefere Bedeutung des Einsiedlertums zu vermitteln: Es geht nicht nur darum, physisch allein zu sein, sondern auch darum, innerlich loszulassen und von allen Formen von Verlangen frei zu sein.
Meditationsübung
Meditation zur Überwindung von Anhaftungen
Setze dich bequem hin: Finde eine ruhige Stelle und setze dich aufrecht hin. Schließe die Augen und atme tief durch die Nase ein und aus.
Atembeobachtung: Konzentriere dich auf deinen Atem. Spüre, wie die Luft in deinen Körper ein- und ausströmt. Lass alle Gedanken und Sorgen los und richte deine Aufmerksamkeit nur auf den Atem.
Vergangenes loslassen: Während du weiter atmest, erinnere dich an vergangene Ereignisse, die dich belasten könnten. Stelle dir vor, dass du sie mit jedem Ausatmen loslässt. Lass sie los und befreie dich von ihrer Last.
Zukunft loslassen: Denke an deine Zukunft und an mögliche Sorgen oder Erwartungen. Mit jedem Atemzug lass auch diese los. Konzentriere dich nur auf den gegenwärtigen Moment.
Begierden erkennen: Erkenne alle Begierden oder Wünsche, die in dir aufsteigen. Lass auch diese los und beobachte, wie dein Geist ruhiger wird, wenn du nicht an ihnen festhältst.
Ruhe genießen: Verweile in diesem Zustand des Loslassens und der inneren Ruhe. Nimm wahr, wie es sich anfühlt, frei von Anhaftungen und Begierden zu sein.
Zurückkehren: Kehre langsam in deine Umgebung zurück. Öffne deine Augen und nimm dir einen Moment, um die Übung nachwirken zu lassen.
Passendes Mantra
„Aham Asmi“
Dieses Mantra bedeutet: „Ich bin.“ Es hilft dabei, im gegenwärtigen Moment zu bleiben und sich von Anhaftungen an Vergangenheit und Zukunft zu lösen. Es unterstützt die Praxis des Einsiedlertums, wie sie im Thera-Sutta beschrieben wird.