Eine alte Sage aus dem Wasgau
Geroldseck, eine eindrucksvolle Burgruine im Wasgau, ist seit Jahrhunderten von Legenden umwoben. Schon im 17. Jahrhundert berichtete der Schriftsteller Philand. von Sittewald in seinem Werk Gesichte (Straßburg 1665, S. 32–33) von geheimnisvollen Erscheinungen in den alten Gemäuern. Seine Aufzeichnungen gehören zu den ältesten bekannten schriftlichen Überlieferungen über den mystischen Ruf der Burg.
Die alte Überlieferung
Nach der Schilderung Sittewalds soll man in früheren Zeiten auf Schloss Geroldseck erstaunliche Erscheinungen gesehen haben: uralte deutsche Helden – Ariovist, Hermann der Cherusker, Wittekind und der sagenhafte Siegfried mit dem Horn – sollen sich dort zu gewissen Jahreszeiten gezeigt haben.
Der Volksglaube wollte, dass diese Helden in den tiefen Gewölben des Schlosses ruhen, bis eine Zeit größter Not über das deutsche Land hereinbricht. Dann, so die Sage, würden sie aus dem Schlaf erwachen, aus der Burg hervortreten und gemeinsam mit alten germanischen Völkern zu Hilfe eilen.
Historischer Hintergrund
Solche „schlafenden Helden“ sind ein wiederkehrendes Motiv in der mitteleuropäischen Sagenwelt. Ähnliche Erzählungen gibt es etwa von Kaiser Barbarossa im Kyffhäuser, Karl dem Großen im Untersberg oder König Artus auf Avalon. Sie verkörpern die Hoffnung auf die Wiederkehr großer Führer in Zeiten der Bedrängnis – ein Symbol für nationale und kulturelle Identität, das sich besonders im Barock und in der Romantik großer Beliebtheit erfreute.
Die Burg Geroldseck selbst – deren Ruinen sich im Pfälzerwald befinden – war im Mittelalter Stammsitz eines einflussreichen Adelsgeschlechts. Ihre Lage auf einem Felsen und der weite Blick über den Wasgau trugen sicher dazu bei, dass sich um sie geheimnisvolle Legenden rankten.
Bedeutung für die heutige Zeit
Heute gilt die Sage von Geroldseck als faszinierendes Beispiel deutscher Mythenbildung und Erinnerungskultur. Sie zeigt, wie historische Orte durch Erzählungen mit Bedeutung aufgeladen werden – und wie Mythen dazu beitragen, Geschichte lebendig zu halten.
Ob die alten Helden tatsächlich in den Tiefen der Burg ruhen, bleibt das Geheimnis der Vergangenheit. Doch wer die Ruinen besucht, spürt vielleicht noch etwas von der Atmosphäre, die schon im 17. Jahrhundert die Menschen in ihren Bann zog.
Quellenhinweis
Philand. von Sittewald: Gesichte. Straßburg, 1665, S. 32–33.
Textstelle gemeinfrei. Historische und interpretierende Abschnitte: © Dhiman, Okt. 2025





