Was unsere Sinne verbergen
Es gibt Töne, die so hoch schwingen, dass sie für das menschliche Gehör nicht wahrnehmbar sind, wohl aber für einige Tiere wie Hunde und Katzen. Ebenso existieren Dinge in der grobstofflichen Welt, die wir mit unseren Augen nicht wahrnehmen können, weil sie zu schnell fliegen, wie etwa eine Gewehrkugel. Auch reine Geistwesen können wir nicht sehen, da die Atome ihrer Lichtkörper, die Photonen, in viel höheren Frequenzen schwingen.
Dinge, die unser Auge wahrnimmt, erscheinen durch Lichtstrahlen, die auf einen festen Gegenstand fallen und von diesem zurückgeworfen werden, wodurch unser Gehirn ein Modell der Außenwelt bildet. Doch können wir uns nicht immer zu 100 % auf unser Gehirn verlassen. Ein frisches Sommerblatt beispielsweise wandelt Licht in Energie um und reflektiert nur das grüne Licht. Glas hingegen absorbiert nur wenig Licht und lässt es hindurch, sodass eine Glasscheibe im freien Raum kaum sichtbar ist und wir möglicherweise hineinlaufen.
Chinesischen Forschern gelang es, Licht um einen festen Körper herum zu leiten, sodass dieser für das Auge unsichtbar wird. Mikrowellen, ebenfalls elektromagnetisch wie das Sonnenlicht, können um einen Gegenstand gekrümmt werden. Ein Mensch in einem solchen Lichtkäfig ist unsichtbar, kann aber auch die Außenwelt nicht wahrnehmen und benötigt besondere Instrumente, um diese Barriere zu durchbrechen. Diese Art der Tarnung könnte eine Ufo-Besatzung nutzen.
Ein weiteres faszinierendes Phänomen ist das Spiegelparadoxon, das wir mithilfe eines der ältesten Symbole der Menschheit erklären können: dem Kreuz als Raum- und Ordnungszeichen. Es zeigt die Himmelsrichtungen an – Osten, Süden, Westen und Norden – sowie die Ausrichtungen: rechts-links, oben-unten.
Stellen wir uns vor, wir stehen vor einem Spiegel und winken mit der rechten Hand. Das Spiegelbild scheint jedoch mit der linken Hand zurückzuwinken, was zunächst verwirrend wirkt. Halten wir ein Papier mit einem dicken Pfeil, der nach links zeigt, in den Spiegel, so zeigt der Pfeil im Spiegelbild ebenfalls nach links. Die Erklärung hierfür liegt darin, dass der Spiegel weder die horizontale noch die vertikale Achse verändert, sondern die Achse senkrecht zur Oberfläche des Spiegels verläuft und nur vorne und hinten vertauscht.
Steht ein Spiegel in einem freien Raum und wir grüßen uns mit der rechten Hand, grüßt das Spiegelbild mit der linken Hand zurück. Drehen wir uns nun um 180 Grad um die eigene Achse, so grüßen wir diesmal nicht spiegelverkehrt. Exakt gesehen vertauscht also nicht der Spiegel die Seiten, sondern es handelt sich lediglich um eine getäuschte Wahrnehmung.
Die chinesische Physikerin Chien Shiung Wu brachte 1956 den Nachweis, dass rechts und links tief in der Natur der Materie verankert sind. Sie brachte mithilfe eines Magnetfeldes Cobalt-60-Atome dazu, sich alle in derselben Richtung rechtsläufig um die eigene Achse zu drehen. Als die Spins aller Atome sich gleich ausrichteten, spuckten die Spins die Elektronen alle in dieselbe Richtung aus. Betrachtet man dieses Experiment im Spiegel, so bewegen sich die Spins im Uhrzeigersinn und die Elektronen werden weiterhin aus der Spiegelebene herausgestoßen.
Baut man das Experiment jedoch spiegelverkehrt auf, dann bewegen sich die Elektronen in die entgegengesetzte Richtung. Dieses faszinierende Verhalten der Natur ermöglicht es, physikalisch zwischen links und rechts zu unterscheiden. Eine Rechtsdrehung ist somit exakt die Drehrichtung der Atom-Spins, unabhängig davon, ob der Aufbau spiegelverkehrt ist.
Weiterführende Literatur:
- Feynman, R. P. (1985). QED: Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie. New York: Princeton University Press.
- Carroll, S. (2010). Vom Teilchen zum Menschen: Die Quantenwelt und der Ursprung des Lebens. München: C. H. Beck.
- Greene, B. (2004). Das elegante Universum: Superstrings, verborgene Dimensionen und die Suche nach der Weltformel. Frankfurt: S. Fischer.
- McEvoy, J. P., & Zarate, O. (2010). Quantenmechanik: Eine grafische Einführung. New York: Sterling Publishing.
- Lederman, L. M., & Hill, C. T. (2005). Symmetry and the Beautiful Universe. Amherst: Prometheus Books.