Die Donnersteine im Harz

KI erstelltes Titelbild, basierend auf dem Blogartikel 15.08.2024 erstellt

Ein vergessenes Kapitel deutscher Mythologie

Vorwort:

Der Harz, ein Gebirgszug im Norden Deutschlands, birgt nicht nur eine reiche Flora und Fauna, sondern auch eine faszinierende Geschichte, die tief in der germanischen Mythologie verwurzelt ist. Im Zentrum dieser Erzählung stehen die sogenannten Donnersteine, mysteriöse Felsritzungen, die uns einen Einblick in die religiösen Vorstellungen unserer Vorfahren geben.

In diesem Artikel tauchen wir ein in die Welt der nordischen Götter, insbesondere in die Figur des Donars, dem germanischen Gott des Donners und des Himmels. Wir erfahren, wie die Edda, ein isländisches Sagengebilde, uns von den alten Religionen und ihren Riten berichtet. Die Donarsteine im Harz werden als Zeugen einer längst vergangenen Zeit interpretiert und ihre Bedeutung für die Menschen der damaligen Zeit wird erläutert.

Die Autorin Annette Sittkus hat sich intensiv mit diesen Artefakten beschäftigt und ihre Bedeutung für die Forschung herausgestellt. Durch ihre Bemühungen konnten die Donnersteine restauriert und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.

Die Entdeckung der Donnersteine ist nicht nur ein archäologischer Fund, sondern auch ein Zeugnis für die Beständigkeit von Mythen und Symbolen. Sie erinnern uns daran, dass unsere Identität tief in der Geschichte verwurzelt ist und dass die Geschichten unserer Vorfahren auch heute noch für uns von Bedeutung sein können.

Als 1000 nach Christi die Isländer vom norwegischen König zur Taufe gezwungen wurden, gestattete man ihnen, ihr Heidentum als Hausreligion weiterzuleben. So konnten gelehrte Schriftsteller die bisher mündlichen Überlieferungen der alten Religion aufs Pergament retten, bevor sie vergessen wurden. Erst im 16. Jahrhundert wurde das Götterlehrbuch des Snorri Sturluson, welches er „EDDA“ (Urgroßmutter) nannte und das aus dem 12. Jahrhundert stammt, wiederentdeckt. Etwas später fanden sich auch die in dieser Edda zitierten Verse der älteren Lieder-Edda des Sämund Sigfusson.

Die alte Götterdreifaltigkeit Frey, Odin und Thor bildet das Herz der eddischen Sagen. Der Bremer Bischof berichtete, diese Götter am heidnischen Tempel-Altar von Alt-Uppsala (Schweden) als sakrale Figuren gesehen zu haben. Wir finden diese Trinität bereits auf den Felsritzungen Süd-Schwedens zur Bronzezeit. In Deutschland trugen sie die Namen Frono, Wodan und Donar. Wodan ist der Göttervater, der sich selbst an den Weltbaum (Erdachse) opferte, um die Runen (Runoz = Geheimnis), also Weisheit, zu erlangen. Analog entspricht dieses Opfer der Fleischwerdung und Kreuzigung Gottes.

Laut Edda sind Wälder eine Umschreibung der Haare von Mutter Erde (Jörd). Orte mit Haar-Bezeichnungen (z.B. Harz) weisen auf heilige Wälder hin. Die alten Priesterinnen wurden Hage-Disen (Jungfrauen im Gehege) genannt, was später zu „Hexen“ diffamiert wurde. Der Brocken im Harz ist ja landesweit als Hexentanzplatz bekannt. Der Zaubergott Wodan hat laut Edda zwei Raben als Begleiter: Hugin (Gedanke) und Munin (Gedächtnis). Der Bauerngott Donar verfügt laut Edda über einen Blitzhammer Mjölnir (Zermalmer), der den Menschen das erste Feuer brachte und wie ein Schmiedehammer nicht nur Funken schlägt, sondern auch Eheleute segnet. Donar (Donner) wird von zwei Ziegenböcken begleitet, namens Tanngnjóstr (Zähneknirschen) und Tanngrisnir (Zähneknirschen), die als Symbole der Gewitterwolken gelten. Ein Mythos berichtet, wie Donar seine Böcke hungrigen Bauernleuten zum Abendmahl opferte. Morgens erweckte Donar sie mit seinem Hammersegen zu neuem Leben.

Der Götterbastard (halb Gott, halb Dämon) Loki (Lohe, Sommerhitze) raubte die Haare (Getreidefeld) der Kornmuhme Sif (Sippe), der Familiengöttin und Donars Gattin. Als der Gewittergott Loki mit seinem Blitzhammer bedrohte, beschaffte der Haarfrevler Sif ein neues goldenes Haar (reichere Kornfelder). Wir ahnen, wie tief dieser Agrar-Mythos die Herzen der Bauern erfüllte, dass jede religiöse Umbruchzeit etwa 300 Jahre währte (laut Nornagest-Mythos).

Der unter dem kirchlichen Namen Bonifatius bekannte Missionar Winfrid (672 nach Christi) aus Wessex (England) fällte bewusst zu Fritzlar (Hessen) eine dort verehrte Donar-Eiche, weil sie dem Donar geweiht war, der in sie häufig seinen Blitz in die knorrige, wasserspeichernde Rinde schleuderte. Aus dem Holz des sakralen Baumes ließ Winfrid eine Kapelle errichten und wurde 754 von empörten heidnischen Friesen erschlagen. Nach dem Vorbild Bonifatius’ wurde überall in Mitteleuropa so mit den heidnischen Kultstätten verfahren.

Zeichnung nach dem 
 Donar Stein von Quentstedt, Harz (c) by Rhaula 2024
Zeichnung nach dem Donar Stein von Quentstedt, Harz (c) by Rhaula 2024

Im 19. Jahrhundert wurden bei der Restauration der Kirche zu Quenstedt zwei Bildsteine aus dem Fußboden ans Tageslicht gebracht. Durch die falsche, tausend Jahre währende Lagerung waren die Abbildungen auf den grauen, grob bearbeiteten Sandsteinen nahezu zerstört. Die Altertumskundige Annette Sittkus setzte sich für den Erhalt dieser Artefakte ein und sammelte aufwendig das benötigte Geld. Die gemeißelten Bilder hatten sich auf den Steinen mit Kantenlängen von 45 cm bis 57 cm und Tiefen von etwa 18 cm durch den Austrieb von Salzen stark aufgelöst. Nach gelungener Rettung wurden sie in diesem Jahr in Glastruhen endlich wieder den Einwohnern von Quenstedt zugänglich gemacht.

Man muss nicht erwähnen, dass sich in der Nähe der Kirche ein alter germanischer Thingplatz befindet, wo vermutlich die Donarsteine verehrt wurden. Heute erkennen wir schemenhaft auf einem Donarstein den Bauerngott mit erhobenem Hammer und davor eine kleinere Gestalt (wohl Kornmuhme Sif), die mit schmerzlich verzogenem Mund auf ihren kahlen Kopf zeigt. Auch in der 25 km entfernten Andreaskirche findet sich ein mannshoher Portalstein zur linken Seite der Eintrittstür, wo ein Mann seinen Hammer schwingt und ein Fabelwesen zu seinen Füßen angreift. Auch dieses Bild kennen wir aus der Edda, wo Donar die fürchterliche Ozeanschlange Ermengand (Erdum-Schlinger) bekämpft, welche die Küstenländer zu überfluten droht. Biblisch denken wir an Gott, wie er das Meeresungeheuer Leviathan erschlägt. Die Altertumsforscherin Annette Sittkus weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass es in der Kirche keinen Heiligen gibt, der mit einem Hammer das Böse in der Welt bekämpft.

Erwähnenswert ist auch, dass in der Außenmauer einer Kirche bei Bergen auf der Rugier-Insel ein Bildstein verarbeitet wurde, der einen Gott mit einem Trinkhorn wiedergibt, wohl unser Frono mit Füllhorn. Ebenso befindet sich ein Bildstein auf einer Kirche aus Mürlenbach (Eifel) mit dem gut erhaltenen Relief des Göttervaters Wodan, begleitet von seinen beiden Raben auf den Schultern. Was noch so lange verborgen lag, die Sonne bringt’s doch an den Tag!

Wodans Relief mit 2 Raben auf dem schultern aus Mürlenbach Eifel
Bild nach dem Wodans Relief mit 2 Raben auf dem schultern aus Mürlenbach Eifel (c) 2024 Rahula
Weiterführende Quellen und Literaturhinweise
  1. Snorri Sturluson:
    „Die Prosa-Edda“, übersetzt von Arnulf Krause. Reclam Verlag, 2006.
    Diese Ausgabe der Prosa-Edda bietet eine umfassende Einführung in die nordische Mythologie und erläutert die grundlegenden Mythen und Sagen der germanischen Völker.

  2. Sämund Sigfusson:
    „Die Lieder-Edda“, herausgegeben und kommentiert von Felix Genzmer. Thule-Verlag, 2010.
    Diese Übersetzung der älteren Edda gibt Einblick in die lyrische und mythologische Welt der nordischen Völker.

  3. Annette Sittkus:
    „Heilige Stätten im Harz: Kultplätze, Sagen und Mythen“
    Diese Publikation beschäftigt sich mit der Geschichte und Bedeutung heiliger Stätten im Harz, insbesondere mit den Funden und Artefakten, die auf alte germanische Kulte hinweisen.

  4. Joachim E. H. Koszinowski:
    „Germanische Götter- und Heldensagen“
    Koszinowski bietet eine umfassende Sammlung und Interpretation von germanischen Mythen und Sagen, die sich auf Götter wie Wodan, Donar und andere beziehen.

  5. Rudolf Simek:
    „Lexikon der germanischen Mythologie“, Kröner Verlag, 2006.
    Ein Standardwerk, das die wichtigsten Figuren, Orte und Begriffe der germanischen Mythologie erläutert. Besonders hilfreich für das Verständnis von Symbolik und religiösen Vorstellungen.

  6. Heinz Klingenberg:
    „Der Brocken im Harz: Mythos und Realität eines Berges“, Harz-Edition, 1995.
    Diese Abhandlung beschäftigt sich mit der kulturellen und religiösen Bedeutung des Brockens, einschließlich seiner Rolle als Hexentanzplatz und sakraler Ort.

  7. Karl Helm:
    „Altgermanische Religionsgeschichte“
    Helm bietet eine historische Perspektive auf die Religion und Mythologie der Germanen, von der Bronzezeit bis zur Christianisierung.

  8. Walter Baetke:
    „Die Religion der Germanen: Entstehung und Entwicklung der nordgermanischen Religion in vorchristlicher Zeit“, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2007.
    Baetke untersucht die Entwicklung der germanischen Religionen, besonders im Hinblick auf ihre Transformation und den Übergang zum Christentum.

Diese Literatur und Quellen bieten eine solide Grundlage für eine vertiefte Auseinandersetzung mit den Themen, die im Artikel angesprochen werden, und sind ideal für weitere Studien über die germanische Mythologie, Religion und Kultur.

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