Allgemeinbildende Religionsgeschichte
Der Name Moses steht im Zentrum dreier Weltreligionen und gilt bis heute als moralische Instanz.
Doch was bleibt übrig, wenn man jenseits religiöser Ehrfurcht auf die überlieferten Geschichten blickt?
Dieser Artikel beleuchtet Moses anhand der tradierten Texte – und setzt seine Lehren in Beziehung zu Humanismus und buddhistischer Ethik.
Alle drei abrahamische Religionen besingen den biblischen Gesetzesgeber Moses als einen verehrenswürdigen Propheten. Moderne Humanisten erschaudern vor seinen menschenverachtenden Geboten, die in Wahrheit Verbote sind und von seinen Untertanen nur bedingungslose Gehorsamkeit verlangen – ohne Skrupel, ohne Emotionen, ohne Kritik.
Wie gewisse US-Gangsterbanden sich die Loyalität ihrer Neuzugänge durch einen brutalen Mord sichern, ebenso sicherte sich Moses von seinen Gläubigen die uneingeschränkte Befolgung seiner Gesetze, beginnend mit den 10 Geboten, die jedes Schulkind im Religionsunterricht hersagen muss.
Dabei übernahm Moses diese 10 Gebote aus den viel älteren Gesetzen Babylons – nur dass er den Abfall vom Polytheismus über Mord und Totschlag setzte. Scheinbar, weil er ja in Ägypten selbst als Mörder zum Tode verurteilt wurde.
Auch Buddha lehrte 600 vor Christi fünf Gebote, die alle übrigen Gebote mit einbezogen:
Kein Leben zerstören, nicht stehlen, nur wahrhaftig reden, Keuschheit bewahren, keine Rauschmittel zu sich nehmen.
Das würde eine Vielzahl von Moses’ Gesetzen verwerfen wie: die Tötung von Homosexuellen, die Tötung von Wahrsagern, Traumdeutern, Religionsforschern, Religionskritikern, Polytheisten, Glaubensabtrünnigen, Anhängern der Gesinnungsvielfalt u. s. w.
Mosismus ist somit das Gegenteil vom Buddhismus und modernen Humanismus.
Der biblische Gesetzesgeber Moses (arab.: Muscha) wurde um 1370 vor Christi in Ägypten geboren. Der Pharao hatte den Israeliten erlaubt, sich als Arbeitskräfte für seine Monumentalbauten anzusiedeln. Als deren Bevölkerung so rasant wuchs, ließ er deren Erstgeburt töten.
Eine Mutter setzte ihren Erstling in ein Weidenkörbchen auf dem Nil aus, wo ihn eine Prinzessin fand und als ihren Sohn in ihren Tempel nahm und den Namen „Moses“ (Meses oder Mes), d. h. „Sohn“, gab.
Die Pharaonentochter gab dem Jüngling seine Herkunft preis, damit er keine Thronansprüche stellen konnte.
Mit 40 Jahren tötete Moses einen ägyptischen Arbeitsaufseher und versteckte dessen Leiche. Diese Bluttat wurde entdeckt und dem Pharao (d. h. „Hohes Haus“, also König) gemeldet. Moses floh nach Medien zum dortigen Priester Jatro und heiratete dessen Tochter Zippora.
Die damaligen Priester waren Polytheisten, und Moses wusste vom abtrünnigen Pharao Eschnaton („Gönner des Gottes Aton“, etwa 1384–1348 v. Chr.), Sohn Amenophis’ III. und der Teji; Bruder des Priesters Thot-Moses (Sohn des Gottes Thot), der Stifter des ersten Monotheismus:
„Es gibt nur einen einzigen Gott: Aton!“ (die Sonne).
Eschnatons neue Hauptstadt Aschaton (heute Amarna) erbaute dieser als „Horizont Atons“. („Horizont“ heißt als heilige Hieroglyphe „Anfang und Ende“, später in der Bibel zu Alpha und Omega für Jesus übernommen.)
Moses jedoch wurde am ägyptischen Hof in Magie unterwiesen, wo mit Götternamen gezaubert wurde. Folgerichtig bediente er sich dieser Gottesnamen, nun aber auf eine einzige Gottheit bezogen – zum Schaden der ägyptischen Priesterschaft.
Beim Priester Jetro musste Moses auf dem Berg Horeh (Sinai) als Hirte 40 Jahre arbeiten. Als sich dort in der Hitze ein ölhaltiger Busch selbst entzündete, sah er dies als göttliches Zeichen zur Rückkehr nach Ägypten (Misur). Scheinbar war sein Fluchtort kein Geheimnis, denn plötzlich begleitete Moses’ Bruder Aaron seine Heimkehr.
Sofort breiteten sich in Ägypten 10 große Plagen aus: Brunnenvergiftung, Seuchen und Kindstötungen. Letztere waren den Israeliten im Voraus bekannt, denn sie kennzeichneten ihre Türpfosten mit Blut eines extra geopferten Lammes.
Woraufhin alle erstgeborenen Kinder in den Häusern der Ägypter ermordet wurden.
Mit dem geplünderten Schatz des Pharaos flüchteten die Israeliten (1250 v. Chr.) durch die Sümpfe des Nildeltas zum Sinai.
Am Berg Sinai offenbarte Moses den Israeliten zahlreiche Gebote und fragwürdige Gesetzesvorschriften. Weil die Israeliten vom Glanz der ägyptischen Hochkultur immer wieder auf deren Götter zurückfielen (Stierverehrung), führte Moses sein Volk 40 Jahre lang in der Wüste herum – und tötete alle Abtrünnigen.
Am Berg Hoar (in Jordanien) rief Moses die Israeliten zusammen und verkündete „Gottes“ Zorn, weil sie Aarons (Anführer der Leviten) Gebote nicht befolgt hätten. Moses sollte daher mit Aaron und dessen Sohn Eliasar auf den Berg steigen (Bibel, Numerides Kap. 20).
(„Sie töteten dort einen Unschuldigen für ihren Gott.“)
Ohne Aaron kehrten Moses und Elisar zurück, und ein weiteres Sühneopfer beruhigte des Volkes Seele. Dieser gruselige Ort heißt „Chebel Harun“, zu Deutsch: „Berg des Aaron“.
Nach den uns vorliegenden Daten war Moses 22 Jahre alt, als Eschnaton starb; 40 Jahre war er zur Zeit seiner Flucht. 40 weitere Jahre arbeitete er als Hirte. Ebenfalls 40 Jahre führte er sein Volk durch die Wüste.
So starb Moses hochbetagt auf dem Berg Nebo (Jordanien) mit dem Blick auf das „Heilige Land“, das Land der Göttin Kusch („die Heilige“).
Literaturtipps
Jan Assmann: Moses der Ägypter
Karen Armstrong: Eine Geschichte von Gott
Sigmund Freud: Der Mann Moses und die monotheistische Religion
Heinz-Josef Algermissen: Mose – Prophet zwischen den Welten
Mircea Eliade: Geschichte der religiösen Ideen
Buddhistische Überlegung
„Nicht der Herkunft wegen ist jemand edel,
sondern wegen seines Tuns.“
— Buddha (Dhammapada)
Die buddhistische Sicht bewertet keine Figur aufgrund göttlicher Autorität, sondern ausschließlich nach ihren Taten, ihrer Absicht und ihrem Nutzen für das Leiden der Welt.
Gerade dieser Maßstab könnte eine heilsame Perspektive sein, wenn man alte Texte der Menschheit neu betrachtet.
Leserfrage
Ist die moralische Autorität Moses’ historisch gerechtfertigt – oder ist sie eher ein Produkt religiöser Tradition, das modernen humanistischen Maßstäben widerspricht?