Kirchen-Sekten-Religionen Teil 1
Die reformatorischen Wurzeln
Nachdem der deutsche Reformator Martin Luther (1483–1546) die Lateinbibel in die deutsche Volkssprache übersetzte und durch Gutenbergs Buchdruckkunst dieselbe dem Volk zugänglich wurde, zerbrach die römische Kirche in Katholiken und Protestanten nach einem verheerenden dreißigjährigen Religionskrieg. Aus den protestantischen Gemeinden bildeten sich bald viele neue Glaubensgemeinschaften, die ihr Leben nach der deutschen Bibel ausrichteten. Vor der Reformationszeit rottete die katholische Kirche solche Bestrebungen gnadenlos aus. Das war nun nicht mehr möglich.
So gründete 1831 William Miller in England die christliche Gemeinde der Adventisten, wonach nur mündige Gläubige durch Jesu Wiederkunft Erlösung finden können. Sie setzten sich somit für die Erwachsenentaufe ein, lehnten die Dreieinigkeitslehre (Vater, Sohn, Heiliger Geist) als unbiblisch ab, praktizierten Fußwaschung vor dem Abendmahl und hielten den heiligen Sabbat berufsfrei. Die Mitglieder zahlten 10 % ihres Lohnerwerbs an die Gemeinde. Auch alttestamentliche Gebote übernahmen sie, wie das Verbot des Blutverzehrs, da sie das Blut für Leben und Seele hielten, das nur Gott gehören darf. Die Adventisten nennen sich in der BRD „Siebenten-Tags-Adventisten“, und viele andere Abzweigungen entstammen den Adventisten.
Kernlehren der Adventisten
Erwachsenentaufe statt Säuglingstaufe
Sabbatheiligung (Samstag als Ruhetag)
Ablehnung der Dreifaltigkeitslehre
10% Einkommensabgabe („Zehnt“)
Blutverbot nach 3. Mose 17:14 („Denn das Leben alles Fleisches ist sein Blut“)
Die Zeugen Jehovas – Vom Bibelforscher-Kreis zur Milleniumsbewegung
1878 entstand in den USA der „Bibelforscher-Kreis“ des Pittsburgher Kaufmanns Charles Taze Russell mit seiner Zeitschrift „Zions Wachturm“ (Sitz in Brooklyn, Zion = Jerusalem). Wie schon der Schweizer Reformator Zwingli (1484–1531) gefordert hatte, lehnten die Bibelforscher das katholische Dreifaltigkeitsdogma als unbiblisch ab. Sie schürten Ängste vor dem Gottesgericht am Jüngsten Tag (Harmagedon), an dem alle Sünder durch Gott vernichtet würden. Einzig die Bibelforscher würden überleben.
Die Seele, also das Blut (Leben), stirbt mit dem menschlichen Körper, und Gott schafft einen neuen Menschen auf der neuen Erde für 1000 Jahre (das „Tausendjährige Reich Jesu“), nachdem 6000 Erdenjahre verstrichen sind („Gott schuf die Welt in sechs Tagen, und jeder Tag bei Gott währt 1000 Erdenjahre“). 144.000 Bibelforscher, die sich als „Gesalbte“ bezeichnen, sollen neben Gott im Himmel Platz erhalten. Alle anderen erhalten einen neuen Körper und ewiges Leben in einem irdischen Paradies.
Die Bibelforscher lehnen das Kreuz als Heilszeichen ab, da es ein römisches Folterinstrument war, und die Bibel besagt, dass Jesus „gepfählt“ wurde. Sie lehnen alle Feiertage (auch Geburtstage) ab und feiern nach jüdischem Kalender das Abendmahl mit Fußwaschung in ihrem Königreichssaal. Nur wer sich als „Gesalbter“ bekennt, darf vom Wein und der Oblate (Symbol für Jesu Blut und Fleisch) trinken und essen. Solche Personen werden von den übrigen als hochmütig verachtet. Wer gegen die Sektenordnung verstößt (z. B. Alkoholiker, Fremdgänger, Raucher), kann ausgeschlossen werden, sodass kein Bibelforscher mehr mit ihm spricht – auch keine Familienmitglieder.
Esklusivlehren im Überblick
„Nur 144.000 ‚Gesalbte‘ kommen in den Himmel – alle anderen leben im irdischen Paradies nach Harmagedon.“
Ablehnung von Kreuzen („Christus starb an einem Pfahl“)
Verbot von Geburtstagen und Weihnachten
Strenges Gemeindezucht-System („Meidung Ausgeschlossener inklusive Familienmitglieder“)
Russell prophezeite mehrfach den Weltuntergang, unter anderem für 1817, 1879, 1881 und 1914. Nach seinem Tod im Jahr 1916 trat der Jurist Rutherford autoritär als sein Nachfolger auf Lebenszeit an. Mit der Umbenennung in „Zeugen Jehovas“ endete auch die innersektiererische Demokratie. Rutherford lebte in Reichtum und führte ständige Schulungen und Großkongresse ein. 1931 wurde das Tragen eines Bartes verboten, da dies als Gedenken an den ersten Präsidenten galt.
Als der vorhergesagte Weltuntergang für 1975 nicht eintraf, viele Mitglieder jedoch ihr gesamtes Hab und Gut verkauft und teils der Sekte geschenkt hatten, kam es zu einem massiven Austritt von Hunderttausenden.
Gescheiterte Weltuntergangsprophezeiungen
1874/1914/1925/1975 – Stets neue Deutungen für ausgebliebene Apokalypse
Folge: Massenaustritte nach 1975 („Viele hatten Hab und Gut verschenkt“)
Ab 1903 kamen die Zeugen Jehovas auch nach Deutschland, wurden jedoch im Dritten Reich verboten, da sie theokratisch waren, Wahlgänge sowie Wehrdienst, Hoheitsabzeichen, Bluttransfusionen und Impfungen ablehnten. Zahlreiche Zeugen Jehovas kamen deshalb in Konzentrationslager und erhielten dort das violette Dreieck als Erkennungszeichen. Da sie als besonders ruhig galten, wurden sie oft als KZ-Ordnungskräfte eingesetzt. Ihre Grundhaltung war das Jesus-Wort: „Gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gebührt, und Gott, was Gott gebührt!“. SS-Chef Himmler wollte Zeugen Jehovas nach einem Endsieg in Russland als Missionare ansiedeln, um ihren Kampfgeist zu brechen. 1950 wurden die Zeugen Jehovas in der DDR verboten. In der BRD erhielten sie NS-Entschädigungen, und Minister Schäuble wünschte sich öffentlich, dass seine Christen so glaubenskämpferisch wären wie die Moslems.
Politische Verfolgung und Paradoxien Im Nationalsozialismus
1933–1945 Verbot im Deutschen Reich
Violette Winkel in KZs („Widerstand durch Verweigerung von Hitlergruß und Wehrdienst“)
Ironie der Geschichte: SS plante, sie als „Missionare im Osten“ einzusetzen
Schon im Mittelalter missbrauchte der katholische Papst seine Gläubigen zum Glaubenskrieg gegen die heidnischen Eingeborenen der „Neuen Welt“. Den Spaniern sollte der nördliche Kreis mit allen Reichtümern gehören, den Portugiesen der südliche Kreis. Als Gegenleistung durften dort nur katholische Missionare mit der Christianisierung beauftragt werden. Seitdem die Europäer die Bibel in ihren Volkssprachen lesen konnten, waren sie solchen Zwecken nicht mehr so leicht gefügig.
Heute gibt es weltweit über 22 Millionen Zeugen Jehovas. Aufgrund ihrer Haustür- und stillen Straßenwerbung wird ihre Zahl in der BRD oft überschätzt (vermeintlich zwei Millionen). Tatsächlich gibt es jedoch bereits doppelt so viele einheimische Buddhisten, die sich jedoch von jeglichen Religionsstreitigkeiten fernhalten (siehe unser Artikel „Das erste buddhistische Kaiserreich„) und somit nicht auffallen.
In der DDR und BRD
1950–1990 Verbot in Ostdeutschland
NS-Entschädigungszahlungen in Westdeutschland
Aktuelle Mitgliederzahlen: ~170.000 in Deutschland vs. 400.000 Buddhisten („Siehe unseren Artikel ‚Das erste buddhistische Kaiserreich‘“)
Reflexionsimpuls statt Übung
„Denke beim nächsten Straßenmissionar daran: Welche Machtstrukturen liegen hinter scheinbar harmlosen Glaubensgemeinschaften? Wie unterscheiden sich autoritäre Sekten von etablierten Religionen?“
Literaturtipps
„Die Zeugen Jehovas – Eine totalitäre Religionsgemeinschaft“ – Gabriele Yonan (Historische Analyse)
„Apokalyptiker und Propheten“ – Hans Gasper (Vergleich endzeitlicher Bewegungen)
„Sekten und Psychokulte“ – Hugo Stamm (Psychologische Einordnung)
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