Zwischen Tapferkeit und Treue

Deutsche Volkslieder im Lichte des Dharma

Es gibt Texte, die uns aus längst vergangenen Jahrhunderten zuflüstern und doch mit überraschender Klarheit in die Gegenwart hineinsprechen. Zwei solcher Lieder – eines aus dem 17. Jahrhundert, das andere aus dem 18. – zeigen, wie eng die alten Tugenden des deutschen Volksgeistes mit den Wegen des inneren Erwachens verbunden sind. In ihnen erklingt dieselbe Sehnsucht: nach Wahrhaftigkeit, Mut und geistiger Standhaftigkeit – Tugenden, die auch der buddhistische Pfad lehrt.

A) Wer jetzig Zeiten leben will

Wer jetzig Zeiten leben will, muß hab’n ein tapfers Herze,
es hat der böse Feind soviel, bereitet ihm groß Schmerze.
Da heißt es stehn ganz unverzagt in seiner blanken Wehre,
das sich der Feind nicht an uns wagt, es geht um Gut und Ehre!

Geld nur regiert die ganze Welt, dazu verhilft Betrügen;
wer sich sonst noch so redlich hält, muß doch bald unterliegen.
Rechtschaffen hin, rechtschaffen her, das sind nur alte Geigen:
Betrug, Gewalt und List vielmehr,- klag du, man wird dir`s zeigen!

Doch wie`s auch kommt, das arge Spiel,
behalt ein tapfres Herze, und sind der Feinde noch so viel,
verzage nicht im Schmerze. Steh gottgetreulich, unverzagt
in deiner blanken Wehre: wenn sich der Feind auch an uns wagt,
es geht um Gut und Ehre!

(Volkslied aus Unterfranken im 17. Jahrhundert.)

Dieses Lied spricht mit einer Stimme, die aus den Wirren der Geschichte erklingt – und doch ist sie zeitlos. Es ist ein Aufruf zur inneren Tapferkeit, zu jener Haltung, die nicht aus Stolz oder Kampfgeist erwächst, sondern aus der Klarheit des Herzens.

Der „Feind“ ist nicht nur der äußere Gegner, sondern auch die innere Versuchung – Gier, Täuschung, Angst. Die „blanke Wehre“ ist das reine Bewusstsein, das sich nicht von Täuschungen umnebeln lässt.
So könnte dieses Volkslied auch als ein Lehrlied auf dem Weg zur Achtsamkeit gelesen werden:
Mut heißt hier, bei sich selbst zu bleiben – unverzagt, auch wenn die Welt sich wendet.

B) Vereinslied unseres Collegiums

Üb immer Treu und Redlichkeit bis an dein kühles Grab,
und weiche keinen Fingerbreit von Buddhas Pfade ab!
Dann wirst du, wie auf grünen Aun,
durchs Pilgerleben gehn;
dann kannst du ohne Furcht und Graun dem Tod ins Auge sehn.

Dann wird die Sichel und der Pflug in deiner Hand do leicht,
dann singest du beim Wasserkrug, als wär dir Wein gereicht.
Dem Bösewicht wird alles schwer, er tue was er tu;
der Teufel treibt ihn hin und her und läßt ihm keine Ruh.

Der schöne Frühling lacht ihm nicht, ihm lacht kein Ährenfeld;
er ist auf Lug und Trug erpicht und wünscht dich nichts als Geld.
Der Wind im Hain, das Laub im Baum saust ihm Entsetzen zu;
er findet nach des Lebens Traum im Grabe keine Ruh.

Drum übe Treu und Redlichkeit bis an dein kühles Grab
und weiche keinen Finger breit von Buddhas Pfade ab!
Dann suchen Enkel deine Gruft und weinen Tränen drauf,
und Sommerblumen voller Duft, blühn aus den Tränen auf.

(L.H. Hölby 1775. „Gottes Wegen“ ,ersetzten wir mit „Buddhas Pfaden“. Melodie von Mozart 1775.)

In diesem Lied klingt der Geist der Aufklärung und der Volksfrömmigkeit – aber in einer neuen, buddhistischen Deutung. Das alte Ideal der „Treu und Redlichkeit“ erhält hier eine universale Dimension: es geht nicht mehr nur um gesellschaftliche Tugend, sondern um das Festhalten am Pfad des Erwachens.

Wer „keinen Fingerbreit von Buddhas Pfade abweicht“, bewahrt das Gleichgewicht zwischen Mitgefühl und Weisheit.
Das Lied beschreibt eine tiefe Lebensfreude – „du singest beim Wasserkrug, als wär dir Wein gereicht“ – die aus innerer Freiheit kommt, nicht aus äußeren Gütern.

Und wie schön endet es: Die Nachkommen finden Frieden an der Stätte eines Menschen, der treu und aufrichtig lebte. Aus den Tränen erwächst neues Leben – ein Symbol für das fortdauernde Wirken eines reinen Herzens.

Beide Lieder, so verschieden sie auch scheinen, tragen denselben Kern:
Standhaftigkeit im Wandel der Welt.
Ob im 17. Jahrhundert oder heute – der Mensch ringt um Haltung, Wahrheit und Mitgefühl.

Wenn wir die alten Worte hören, können wir darin das Echo des Dharma erkennen:
Den Mut, der aus Einsicht geboren wird.
Die Treue, die nicht an Dogmen gebunden ist, sondern an das Erwachen selbst.

So verbinden sich Volkslied und Buddhismus zu einer Melodie des Herzens –
einem Lied von Treue, Mut und dem Frieden im Inneren.


🌿 Copyright & Quellenhinweis

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Alle Rechte vorbehalten.

Die im Artikel enthaltenen Volkslieder stammen aus historischen Quellen (gemeinfrei):
Volkslied aus Unterfranken, 17. Jahrhundert
L. H. Hölby, 1775 („Gottes Wegen“) – Melodie von W. A. Mozart (1775)

Titelbild erstellt mit Unterstützung von OpenAI GPT-5.
Texte, Kommentare und Einleitungen: © liegt bei den jeweiligen erstellern.

Verwendung und Weitergabe mit Quellenangabe erwünscht.
Möge das Lied des Herzens Mut, Treue und Klarheit in die Welt tragen. 🌸

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