Vom Ursprung philosophischer Lehren zur modernen Technologie
500 vor Christi lehrte der griechische Philosoph Leukippos in Milet den Determinismus (die Vorsehung), wonach nichts einfach so, sondern immer aus einem bestimmten Grund und demnach auch notwendig entsteht. Damit ließen sich physikalische Ereignisse auch sehr präzise erklären und vorhersagen. In Bezug auf die Naturgesetze wurde der Determinismus auch auf die Humanwissenschaften übertragen und bekam durch den englischen Physiker Isaak Newton (1643–1727) kräftigen Aufschwung. Newton erklärte mit dem von ihm gefundenen Gravitationsgesetz die Mond- und Planetenbewegungen, einschließlich der Gezeiten.
Der Transzendentalphilosoph Immanuel Kant (1724–1804) vertrat im deutschen Königsberg einen umfassenden Determinismus für den Bereich der „Erscheinungen“, jedoch nicht für den Bereich der „Dinge an sich“. Für den klugen Ostpreußen war das Kausalprinzip ausschlaggebend, wonach zu jedem Ereignis in dessen Vorgeschichte ein Zustand existiert, auf dem das Ereignis unausweichlich regelhaft folgen musste. Der französische Astronom Pierre-Simon Laplace (1749–1827) lehrte die Entwicklung unseres Sonnensystems und wurde durch sein Welt-Dämon-Gleichnis bekannt. Er verdeutlichte den Determinismus mithilfe dieser übermenschlichen Intelligenz, welche, mittels genauer Kenntnisse über alle Bedingungen und Gegebenheiten des Universums sowie aller Rechenkapazitäten, alle zukünftigen Bewegungsabläufe vorhersagen könnte. Er nannte seine Fiktion einen Dämon, weil in der Welt so viel Grausamkeit steckt.
Seine Dämon-Fiktion erinnert an eine moderne „Künstliche Intelligenz“ oder an Mara, Buddhas imminenten Baumeister der Welt. Es widerspricht der Vorstellung eines allwissenden Gottes, der laut Bibel die Menschen noch prüfen muss. Laplacescher Dämon aber könnte so das gesamte Weltgeschehen berechnen, wenn er den gegenwärtigen Zustand des Weltalls als Wirkung seines früheren und als die Ursache des folgenden Zustandes betrachtet. (Buddhas Lehre der sich ständig wiederholenden vier Weltenfolgen).
Eine Intelligenz, welche für einen gegebenen Augenblick alle in der Natur wirkenden Kräfte sowie die geistige Lage der sie zusammensetzenden Elemente kennt und umfassend genug ist, um diese gegebenen Größen der Analyse zu unterwerfen, würde in derselben Formel die Bewegung der größten und kleinsten Weltkörper umschließen, und nichts würde ihr ungewiss sein. Zukunft wie Vergangenheit würden ihr offen vor Augen liegen. Als Teil der Schöpfung kann das der Mensch im Zustand des meditativen Hellsehens. Der Erhabene sprach von seinem, allen menschlichen übersteigenden Buddha-Auge.
Wir denken uns diesen Dämon heute einmal als einen Supercomputer innerhalb eines simulierten Universums, der die Voraussagbarkeit aller Geschehnisse in einer determinierten Welt erklärt. Das Weltgeschehen ist eine Abfolge von Weltzuständen, die durch die Naturgesetze kausal miteinander verknüpft sind. In einer solchen Welt kann es nur einen Verlauf geben, eine mögliche Zukunft. Bereits die alten griechischen Stoiker im 5. vorchristlichen Jahrhundert sagten, dass sich der Mensch dem Fatum, dem Schicksal des Weltgeschehens, fügen sollte, um nicht zu leiden. Die Naturgesetze beschreiben in systematischer Form, was immer geschieht oder der Fall ist. Das den Naturgesetzen Unterworfensein des Menschen lässt sich metaphorisch verstehen. Der Weltlauf ist dem entsprechend genau dann deterministisch, wenn aus den Naturgesetzen und der Beschreibung aller weiteren Weltzustände Folgen ableitbar sind.
Unser Supercomputer könnte mit ausreichendem Wissen und Rechenkapazitäten alle vergangenen und zukünftigen Zustände berechnen. Alle Dinge unterliegen den Gesetzen der Physik und der Chemie. Ein Lebewesen den Gesetzen der Biologie und Physiologie, als kognitives Wesen den Gesetzen der Neuro- und Kognitionswissenschaften, als emotionales und soziales Wesen den Gesetzen der Sozialpsychologie.
Je nach Bereich ist es durch ganz unterschiedliche Faktoren determiniert. Weil in der Welt eine Überlagerung physischer Gesetzeskräfte wirkt, ist es kein Wunder, dass Gesetze, die einzeln diese Kraft oder Bewegungstendenzen beschreiben, nicht zugleich deren Zusammenwirken beschreiben können. Wir müssen deshalb den gegenwärtigen Zustand des Weltalls als Wirkung seiner früheren und als Ursache des folgenden Zustandes betrachten. Solange wir keinen Supercomputer entwickeln, kann auch der universale Determinismus von einem gewöhnlichen Menschen nicht überprüft werden. Ob These, Antithese oder Synthese, bleibt die Vorsehung weiterhin nur eine Hypothese.
Um das zu ändern, müsste man das Universum zweimal in exakt denselben Zustand versetzen können. Solange man das nicht kann, lässt sich das unterschiedliche Verhalten eines Systems bei der Wiederholung eines Experiments stets mit den minimal unterschiedlichen Anfangs- oder Randbedingungen erklären. Der universale Determinismus bleibt somit eine metaphysische Doktrin, die sich durch empirische Belege weder beweisen noch widerlegen lässt. Instinktiv verwenden wir jedoch deterministische Ausdrücke weiterhin, wobei wir die Art der Determination der Intuition überlassen: „Bestimmte Faktoren steuern das Verhalten!“, „Gehirnvorgänge bedingen Handlungen!“, „Gene prägen die Persönlichkeit!“, „Entscheidungen beruhen auf neuronalen Prozessen!“ Diese Verben kommen aus unserer Seele selbst als Zuspruch.
Ein einfaches Beispiel zur Veranschaulichung des Determinismus ist ein Billardtisch: Kennt man die Ausgangspositionen der Kugeln, ihre Geschwindigkeiten und die physikalischen Bedingungen, lassen sich mit den Gesetzen der Mechanik alle zukünftigen Bewegungen berechnen. Ebenso kann man den Ablauf zurückrechnen, um vergangene Zustände zu rekonstruieren. Dies illustriert die zugrunde liegende Idee von Kausalzusammenhängen in einem geschlossenen System.
Ausgangszustand: Stellen wir uns vor, alle Kugeln liegen auf festen Positionen. Wir kennen ihre Massen, ihre Anfangsgeschwindigkeiten, die Reibung des Tisches und die Regeln der Kollision.
Berechnung: Mit den Gesetzen der Mechanik (z. B. Impulserhaltung, Energieerhaltung) können wir genau berechnen, wie sich die Kugeln in der nächsten Sekunde bewegen und wohin sie rollen, wenn der Queue einen Stoß gibt.
Zukunftsprojektion: Mit einem leistungsstarken Computer könnte man diese Berechnung so lange fortsetzen, wie es die Bedingungen erlauben, und genau voraussagen, wo sich jede Kugel zu einem beliebigen Zeitpunkt in der Zukunft befindet.
Vergangenheitsrekonstruktion: Ebenso könnte man aus einem bekannten aktuellen Zustand der Kugeln die vorherigen Ereignisse bis zum Startpunkt nachvollziehen.
Herausforderung im Großen: Während dies in einem idealisierten System wie einem Billardtisch machbar ist, wird es in komplexeren Systemen wie dem Universum schwieriger. Der Grund liegt in den riesigen Datenmengen, der notwendigen Genauigkeit und dem Einfluss kleinster Ungewissheiten (chaotische Systeme).